Beschreibung von Fluchtursachen im Bereich Migration/Integration

Die politisch Verantwortlichen ignorieren mögliche Aktionsfelder

Die politisch Verantwortlichen insbesondere auf Bundesebene, aber auch auf kommunaler und auf Landesebene beschränken sich weitestgehend auf Abwehrreaktionen und klammern die möglichen Aktionsfelder, die zu einer konkreten Fluchtursachenbekämpfung führen, aus.

Das bedauern viele ehrenamtlich im Bereich Migration/Integration engagierte Menschen, die seit vielen Jahren in der sogenannten EINE-Weltarbeit tätig sind und auch Mitglieder der sogenannten Friedensbewegung waren. Sie verweisen im Rahmen ihrer Arbeit immer darauf, dass die jetzt auch Europa erreichten Flüchtlingsbewegungen schon seit langem vorausgesehen wurden und auch schon seit vielen Jahren existieren. Es ist dabei auch auf den Film „Der Marsch“ zu verweisen, der schon Anfang der 90-ziger Jahre viele Menschen schockiert hat. Im Deutschen Bundestag hat die Mehrheit der Mitglieder im Jahre 2001 im Bericht der Enquete-Kommission “Herausforderungen der Globalisierung“ auf die Zusammenhänge von internationaler Ausbeutung, Not und Elend und die oft damit zusammenhängenden kriegerischen Auseinandersetzungen verwiesen und eine Änderung der Politik eingefordert. Vor allem auf die internationalen Rahmenbedingungen für den Welthandel im Kontext der WTO und die internationale Finanzarchitektur wurde verwiesen und eine grundsätzliche Reform eingefordert, die aber ausgeblieben ist. Die deutsche internationale Politik, besonders eine nachhaltige Entwicklungspolitik blieb weit hinter den Notwendigkeiten und der Zielsetzung 0,7 % der Bundesmittel für Entwicklungsmaßnahmen in Entwicklungsländern bereit zu stellen, zurück.

Die Folgen waren und sind immer noch verheerend nicht nur bezogen auf die sogenannte internationale Finanzkrise. Nach wie vor sind Verträge Richtung weisend, die wie bei TTIP die Starken bevorteilt, worauf insbesondere afrikanische Reformpolitiker verweisen. Auch dass die Folgen des Klimawandels und u.a auch die Exportsubventionierungen dazu führen, dass die Verelendung der Menschen in weiten Teilen der Welt fortgeschritten ist und fortschreitet, ist unübersehbar. Dazu gibt es viele Beispiele. Darüber muss mehr aufgeklärt werden und bei der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen werden. Auch dass nach wie vor militärische Interventionen als Mittel zur Befriedung und Abwehr eingesetzt wurden und werden, führt immer wieder dazu, dass die Flüchtlingsströme zunehmen. Darum muss es eine global verankerte Neuausrichtung der Politik geben, wie sie Ende letzten Jahres in Paris zumindest in Ansätzen vereinbart worden ist. Das Motto von Willy Brandt „Überleben sichern“. muss im Mittelpunkt des politischen Handels stehen. Ansätze dafür gibt es auch im Kreis Steinfurt wie zum Beispiel mit der kommunalen Entwicklungspartnerschaft der Gemeinde Westerkappeln mit der Gemeinde Khorixas in Namibia, in deren Rahmen dafür gesorgt wird, dass die Lebensbedingungen in Khorixas verbessert werden. Auch dass immer mehr Unternehmer bereit sind, Flüchtlinge einzustellen und auch Ausbildungsplätze anzubieten, zeigt, dass das Wissen um die Notwendigkeit Qualifizierung zu ermöglichen, weit verbreitet ist. Aber auch zeigt sich, dass die politisch Verantwortlichen es immer noch versäumt haben und versäumen, die gesetzlichen Grundlagen für die Anstellung und Ausbildung von Flüchtlingen so zu verändern, dass eine Anstellung bzw. Ausbildung für Flüchtlinge mit dem Status einer nur auf kurze Zeit begrenzten Duldung zu ermöglichen. Die Mitarbeiter der Gesellschaft für Arbeit und Gesellschaft(GAB) müssen immer wieder auf diese fatale Situation verweisen. Schlimm ist auch, dass über die sogenannte deutsche „Entwicklungshilfe“ keine Aufklärung in den Nehmerländern darüber organisiert wird, was die Flüchtlinge in Deutschland oder in anderen Ländern erwartet. Und die Nicht-Regierungsorganisationen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit müssen immer wieder langwierige bürokratische Antrags- und Kontrollverfahren durchlaufen, bevor Entwicklungsprojekte überhaupt durchgeführt werden können. Auch sind die von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit(GIZ) für die Bundesregierung geplanten und durchgeführten Maßnahmen immer wieder zu sehr an den Interessen der in den jeweiligen Ländern Herrschenden und auch an den deutschen Interessen orientiert und erreichen die armen und notleidenden Menschen, die dann oft versuchen, ihre Heimatländer zu verlassen, nicht. Ein Problem besteht auch darin, dass es immer schwieriger geworden ist, für Partner aus Organisationen, mit denen langjährige Entwicklungspartnerschaften bestehen, Visa für Aufenthalte zwecks Weiterbildung und Qualifizierung in Deutschland zu bekommen. Hier könnte auch viel getan werden für die Vermittlung von Informationen über die Fördermöglichkeiten für Menschen aus Entwicklungsländern, Durchführung von Praktika und auch materielle Unterstützung für Maßnahmen der Entwicklungsarbeit. Auch an der konstruktiv-kritischen Zusammenarbeit mit Ländern, die deutsche Finanzmittel für Entwicklungszusammenarbeit mangelt es. So sind zum Beispiel Somalier mit kenianischen Pässen und Schengen-Visa über die Niederlande nach Deutschland gekommen. Diese beiden Sachverhalte wurden und werden bis heute bei Regierungsverhandlungen nicht zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht, wenn über Entwicklungsprojekte verhandelt wird. Das alles hat immer wieder dazu geführt, dass die gesellschaftlichen Probleme in vielen Entwicklungsländern aber auch vor allem in den letzten Jahren auch in Deutschland und den europäischen Ländern umfangreicher geworden sind und es auch immer mehr zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen ist. Eine der Folgen ist auch, dass es immer mehr Menschen gibt, die das Vertrauen in die politischen Gestaltungsmöglichkeiten verloren haben. Darum ist es notwendig, dass mit positiven Beispielen gezeigt wird, dass es Wege gibt, die aus dem weltweiten Dilemma hinausführen.



TTIP, CETA und TISA

Auswirkungen auf die Kommunen

Städte und Gemeinden sind betroffen

Bei den Verhandlungen zwischen der EU und der USA um das Transnationale Investitions- und Freihandelsabkommen (TTIP) geht es nicht nur um Warenhandel, sondern in nicht geringem Umfang um den Handel mit Dienstleitungen. Nicht nur um Dienstleistungen, die von Privatpersonen oder Unternehmen erbracht und in Anspruch genommen werden, sondern auch um öffentliche Dienstleistungen. Für viele öffentliche Dienstleistungen sind in Deutschland die Kommunen zuständig. Sie erstellt diese entweder selbst oder geben ihre Erstellung bei privaten oder halböffentlichen Unternehmen in Auftrag. Daher liegt es nahe, dass Städte und Gemeinden von TTIP betroffen sein werden, und zwar in dreierlei Hinsicht.
Die letztgenannte Befürchtung wurde im Dezember 2015 auch von der Bundesregierung bestätigt. Auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke führte der Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer (SPD) Presseberichten zufolge aus, dass in Investor-Staat-Schiedsverfahren nur Staaten verklagt werden können. Welche Ebene am Ende die Kosten für den Schadensersatz trägt, richte sich nach nationalen Gesetzen. In Deutschland regelt diese Frage das Grundgesetz: "Die interne Lastenverteilung richtet sich nach Art. 104a Abs. 6 Grundgesetz und dem „Lastentragungsgesetz", so Beckmeyer. Demnach "tragen Bund und Länder die Lasten einer Verletzung" von völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands. "Ob und wieweit die Länder ihrerseits Regress bei Kommunen nehmen können, die völkerrechtswidrige Maßnahmen zu verantworten haben, richtet sich nach dem Landesrecht", schreibt Beckmeyer weiter. Demnach können also auch Kommunen zur Kasse gebeten werden.

Das TTIP als Brechstange für weitere Privatisierungen bei den Kommunen

In seiner Stellungnahme zum TTIP vom November 2013 bringt der Bayerische Städtetag seine Sorge zum Ausdruck, dass mit dem TTIP der Privatisierungsdruck auf Städte und Gemeinde zunehmen wird. Wie kommt er darauf? Beim TTIP werden so genannte Negativlisten verhandelt, auf denen unter anderem Dienstleistungen bzw. Regelungen zu ihnen aufgelistet sind. Alle Dienstleistungen, die auf diesen Listen stehen, werden nicht dem Markt geöffnet. Für alle Dienstleistungen, die nicht auf ihnen stehen, muss freier Marktzugang gewährleistet werden. Die Negativliste besteht aus zwei Teilen. Im Anhang I werden bereits bestehende Maßnahmen aufgelistet (Gesetze oder Verwaltungspraxis), die zukünftig gegen das Abkommen verstoßen würden, aber beibehalten werden dürfen. Alle Maßnahmen, die nicht aufgelistet sind, aber gegen das Abkommen verstoßen, müssen abgeschafft werden. Im Anhang II werden sowohl bestehende wie zukünftige Regelungen aufgenommen. Alle Dienstleistungen, die nicht auf dieser Liste stehen, müssen dann liberalisiert werden. Die EU hat in ihrem Verhandlungsmandat definiert, dass nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Justiz, Polizei, Strafvollzug u.ä. von der Liberalisierung ausgeklammert werden sollen, nicht aber Bildung, Kultur, Wasser und Abwasser. In einem vom Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) beauftragten Gutachten wird dazu für den Wasserbereich festgestellt, dass damit nationale oder lokale Einschränkungen, die Wasserversorgungen nur über öffentliche Unternehmen erstellen zu lassen, nicht mehr zulässig wären. Damit würde die Privatisierung der Wasserversorgung, um die es in der Vergangenheit in der Bundesrepublik eine breit geführte öffentliche Debatte gegeben hat und die von der Bevölkerung abgelehnt wird, durch die Hintertür erzwungen.

Ausschreibungspflichten und die Ökonomisierung des kommunalen Handels

Wenn eine Kommune ihre Schulen sanieren will, darf sie sich nicht einfach auf dem Markt umsehen und dann eine Firma mit der Sanierung der Schule beauftragen weil diese am Ort ansässig ist, besonders ökologisch arbeitet, die örtlichen Sportvereine unterstützt oder Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Kommunen müssen über ein Ausschreibungsverfahren bekannt geben, dass sie die Sanierung einer Schule beabsichtigen und den Auftrag dann an das Unternehmen geben, dass ihnen das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Andere soziale oder ökologische Aspekte dürfen in der Regel keine Rolle spielen. Nun ist dies bei der Sanierung einer Schule vielleicht ärgerlich aber nicht so kritisch. Ganz anders sieht es aus, wenn beispielweise kulturelle Leistungen (Theater), Bildungsleistungen (Volkshochschule, Hausaufgabenbetreuung) oder Leistungen der Jugendhilfe (Wohngruppen) ausgeschrieben werden müssen und an denjenigen Anbieter gehen, der das günstigste Angebot abgibt. Mit dem TTIP, so befürchten viele Vertreter_innen von Städten und Gemeinden, wird sich dieser Zwang zur Ausschreibung auf viel mehr öffentliche Dienstleistungen als bisher ausweiten. Wenn ein Verein ein kommunales Kino betreibt und dafür Zuschüsse der Kommune erhält, könnte diese gezwungen werden, dies als öffentlichen Auftrag auszuschreiben. Sie müssen dann allein nach wirtschaftliche Kriterien und ohne Berücksichtigung von sozialen, lokalen, kulturellen oder sonstigen Fragen, den Auftrage an das Unternehmen vergeben, das das wirtschaftlichste Angebot vorlegt.
Diese Entwicklung ist nicht neu. Seit gut 30 Jahren wird die Forderung nach immer weiterer Ökonomisierung kommunalen Handelns wieder und wieder erhoben. Die EU hat mit ihrer Wettbewerbspolitik in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Forderung in Richtlinien gegossen wurde und die deutschen Bundesregierungen sowie die Landesregierungen haben ihren Anteil dazu beigetragen, dass daraus Recht wurde, das die kommunale Handlungsfreiheit immer weiter eingeschränkt hat. Mit TTIP wird dieser Trend nochmals deutlich verstärkt und vor allem unumkehrbar gemacht. Denn was im TTIP einmal vertraglich vereinbart ist, ist nahezu nicht rückholbar.

Buy American

In der Diskussion um das TTIP wird in Deutschland oft so getan, als wäre das Abkommen in erster Linie der Versuch amerikanischer Konzerne, ihre Chancen auf dem europäischen Markt zu verbessern. Übersehen wird dabei, dass Konzernen mit Sitz in europäischen Ländern ein genauso großes Interesse am Abkommen haben, weil sie ihrerseits auf den amerikanischen Markt wollen. Worin sie sich unterscheiden, sind die Branchen und Marktsegmente, die sie in den Blick nehmen. Bei den kommunalen Dienstleistungen gelten beispielweise die amerikanischen Märkte als stärker politisch reguliert und gegen Wettbewerb abgeschlossen. Europäische Dienstleistungskonzerne möchten die in den USA übliche „Buy-American-Regelungen“ durch TTIP beseitigen. Diese Regelungen sehen vor, dass bei der Vergabe von öffentlichen Dienstleistungen US Betriebe bevorzugt werden. Eine Regelung, die europäischem Wettbewerbsrecht widersprechen würde.

TTIP und Investitionsschutz

Mit dem TTIP sollen Investoren vor direkter oder indirekter Enteignung geschützt werden. Was soll das mit Städten und Gemeinden zu tun haben? Plant etwa eine Kommune die lokale Niederlassung der Deutschen Bank zu beschlagnahmen? Ganz sicher nicht. Trotzdem werden die Vertragsvereinbarungen zum Investorenschutz Auswirkungen auf den politischen Handlungsspielraum von Kommunen haben. Verschärft sie beispielweise Umweltauflagen und macht damit eine Fabrik in ihrem Gemeindegebiet unrentabel, die ohne die Auflagen satte Profite eingefahren hätte, kann der Investor dies als indirekte Enteignung interpretieren. Er hat Kapital in eine Anlage gesteckt, die erst durch die Umweltauflagen ihre Profitabilität verliert, und kann die Entwertung von investiertem Kapital vor ein Schiedsgericht bringen und von der Kommune Schadensersatz fordern. Diese Schiedsgerichte sind keine ordentlichen Gerichte, in denen Richter_innen im Rahmen bestehender Gesetze Recht sprechen, sondern geheim tagende Gremien, in denen Deals aushandeln werden. Wer so etwas für undenkbar hält, sei auf das Verfahren Vattenfall gegen die Bundesrepublik verwiesen, in dem der Konzern vom deutschen Staat 3,7 Milliarden Schadensersatz verlangt, weil er die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel vorzeitig abschalten lässt. Diese Art Investorenschutz wird dazu führen, dass sich eine Kommune sehr genau überlegt, ob sie Umweltauflagen verschärft oder Regularien zum Bau preisgünstiger Wohnungen in Bebauungspläne hinein schreibt, wenn sie befürchten muss, dafür Schadensersatz zahlen zu müssen.